Gemeinsam mit der Case Managerin Cathrin Metzing vom Berufsförderungswerk Leipzig und 45 virtuellen Teilnehmenden beschäftigten wir uns am 12. Juli in einer neuen Ausgabe BGFZ.live mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM).

Die aktuelle Arbeitswelt stellt uns vor vielfältige Herausforderungen: Das Renteneintrittsalter verschiebt sich immer weiter nach hinten und die Belegschaft wird zunehmend älter. Gleichzeitig wachsen Zeit- und Leistungsdruck und damit auch die Erwartungen an Fachkompetenzen und das Engagement der Mitarbeitenden. Chronische und psychische Erkrankungen können die Folge sein und teilweise zu mehrwöchiger Arbeitsunfähigkeit führen.

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Diese Problemlage ist schon lange keine Unbekannte mehr, sodass Arbeitgeber - unabhängig von Geschäftsgegenstand und Betriebsgröße - bereits seit 2004 gesetzlich dazu verpflichtet sind, Arbeitnehmenden, die innerhalb von 12 Monaten 42 Tage oder länger arbeitsunfähig sind, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten (vgl. § 84 Abs. 2 SGB IX). Die Arbeitnehmenden haben ihrerseits das Recht, dieses Angebot abzulehnen oder zu einem späteren Zeitpunkt zu widerrufen. Das BEM sollte aber nicht nur als eine lästige Pflicht angesehen werden, sondern es kann bei richtiger Ausführung eine Investition in die Zukunft des Unternehmens und die Gesundheit der Mitarbeitenden darstellen und damit Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen gleichermaßen zu Gute kommen. Arbeitgeber haben die Chance, ihre Fachkräfte durch ein gezieltes BEM nicht nur langfristig im Unternehmen zu halten, sondern auch Ausfallzeiten und Lohnfortzahlungskosten zu reduzieren. Mit dem BEM haben Arbeitgeber:innen zudem den Nachweis, dass alle Möglichkeiten zum Erhalt des Beschäftigungsverhältnisses geprüft wurden. Letzteres kann insbesondere im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung für Rechtssicherheit sorgen. Betroffene Mitarbeitende erhalten durch das BEM im besten Fall die Möglichkeit, ihre Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, ihr Arbeitsverhältnis zu erhalten bzw. mögliche Ängste vor einem Arbeitsplatzverlust zu beseitigen und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.

Um diese beiderseitigen Vorteile erreichen zu können und ein Vorgehen zu finden, welches für jeden Mitarbeitenden in gleicher Weise angewendet werden kann, gilt es, einen strukturierten BEM-Prozess zu etablieren. Wichtig ist an dieser Stelle zu wissen, dass der Gesetzgeber keine Vorgaben zum konkreten Inhalt und Ablauf des BEM macht. Dieser kann - unter Berücksichtigung einiger wesentlicher Bestandteile und Pflichten - grundsätzlich von jedem Unternehmen selbst festgelegt werden. Auf folgende Aspekte sollte man dabei ein besonderes Augenmerk legen:

  • Die korrekte Einladung
    • Der Arbeitgeber lädt den Arbeitnehmenden zum BEM ein.
    • Oftmals ist es hilfreich, die erste Kontaktaufnahme persönlich zu gestalten (z. B. im Gespräch oder telefonisch), um Rückfragen zu beantworten und Unsicherheiten abbauen zu können. à Eine anschließende schriftliche Einladung ist dennoch erforderlich!
    • Hinweis auf Freiwilligkeit (seitens des Arbeitnehmenden), Möglichkeit der Einbringung eigener Vorschläge, Widerrufbarkeit und Recht der Hinzuziehung einer Vertrauensperson und/oder einer Interessenvertretung muss benannt werden
    • Angaben zur Erkrankung oder der Diagnose dürfen nicht enthalten sein.
    • Es muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, welche Daten warum erhoben werden.
  • Die Dokumentation
    • Für jeden BEM-Fall muss eine BEM-Akte angelegt werden. Diese enthält alle fallbezogenen Unterlagen und ist getrennt von der Personalakte aufzubewahren!
    • Der/Die BEM-Verantwortliche:n informieren die Personalabteilung über: Einleitung, Abschluss, ggf. Nichtzustandekommen bzw. Abbruch oder Unterbrechung des BEM-Verfahrens à Nur diese Informationen sind in der Personalakte zu speichern!
  • Der Datenschutz
    • Oftmals wird empfohlen, auf eine elektronische Speicherung der BEM-Daten zu verzichten, da ggf. unberechtigte Personen Zugriff auf die sensiblen Daten erlangen könnten.
    • Es muss eine Einwilligung zum Datenschutz vorliegen.
    • Die erhobenen Daten dürfen nur den BEM-Verantwortlichen zugänglich gemacht werden.
  • Die Aufbewahrungsfristen
    • In der Praxis hat sich bewährt, die Akten zu angenommenen und tatsächlich durchgeführten BEM-Verfahren nach Ende des Verfahrens für drei Jahre zu archivieren.
    • Wurde das angebotene BEM-Verfahren abgelehnt oder die Einwilligung widerrufen, ist die BEM-Akte umgehend zu vernichten. In der Personalakte verbleiben nur die oben genannten Informationen.

Werden diese Punkte beachtet, befindet sich das Unternehmen auf einem guten Weg zur Erfüllung der gesetzlichen Pflicht und einem rechtssicher durchgeführten BEM. Wer sich als Unternehmen Unterstützung bei der Konzeption und Durchführung des BEM wünscht, kann sich an Krankenkassen, die Agentur für Arbeit, Rentenversicherungen oder das Integrationsamt wenden. Die Deutsche Rentenversicherung stellt auf ihrer Website zudem einen kostenfreien Leitfaden zum betrieblichen Eingliederungsmanagement zur Verfügung. Vorlagen für das Einladungsschreiben, die Einwilligungserklärung oder die Dokumentation des BEM sind auf der Website der AOK PLUS zu finden.

Trotz der weithin bekannten gesetzlichen Plicht und der vielfältigen Unterstützungsangebote gibt es in vielen Unternehmen noch keinen festgelegten BEM-Prozess. Doch was passiert eigentlich, wenn im Unternehmen kein BEM angeboten wird? Grundsätzlich führt ein nicht angebotenes oder nicht korrekt durchgeführtes und unvollstädnig dokumentiertes BEM nicht zu unmittelbaren Sanktionen. Ein fehlendes BEM kann aber bspw. Auswirkungen auf krankheitsbedingte Kündigungen haben. Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, einen gültigen Nachweis über das BEM-Verfahren zu erbringen, kann eine krankheitsbedingte Kündigung als unwirksam erklärt werden.

Nicht zuletzt aus diesem Grund sollte man als Unternehmen bestrebt sein, langzeiterkrankten Mitarbeitenden einen beruflichen Wiedereinstieg zu erleichtern. Wer in den eigenen BEM-Prozess investiert, investiert damit auch unmittelbar in die Gesundheit der Mitarbeitenden und den Fortbestand des eigenen Betriebes.